Auflösung des Betriebsrats nach verweigerter Zusammenarbeit mit dem Personalleiter
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) hat mit Beschluss vom 23.06.2020 (14 TaBV 75/19) zu der Frage Stellung genommen, ob sich der Betriebsrat weigern darf, mit einem vom Arbeitgeber als zuständigen Ansprechpartner benannten Personalleiter zusammenzuarbeiten. Dies lehnte das LAG mit der Begründung ab, dass der Betriebsrat damit erheblich gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoße, und löste den Betriebsrat auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) auf.
Die Parteien streiten im Beschlussverfahren über einen Antrag auf Auflösung des 13-köpfigen Betriebsrats gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG. Hierfür muss der Betriebsrat eine objektiv erhebliche Pflichtverletzung begangen haben, die offensichtlich schwerwiegend ist.
Anlass des Antrags des Arbeitgebers, einem Hersteller von Leichtmetallfelgen mit fast 700 Mitarbeitern, war, dass sich der Betriebsrat weigerte, mit dem vom Arbeitgeber als zuständigen Ansprechpartner benannten Personalleiter zusammenzuarbeiten. Dies hatte der Betriebsrat förmlich beschlossen. So teilte der Betriebsrat u.a. der Werks- und Personalleitung mit, dass die Zusammenarbeit mit der Personalleitung beendet werde und forderte den Arbeitgeber auf, ihm einen neuen Ansprechpartner zu benennen. In weiterer Umsetzung des Beschlusses strich der Betriebsrat den Personalleiter aus dem Verteiler und leitete Mitteilungen und Beschlüsse an andere Mitarbeiter weiter. Trotz der Aufforderungen seitens des Arbeitgebers wieder mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten, verblieb der Betriebsrat bei seiner Verweigerungshaltung und teilte der Werksleitung mit, dass er erneut beschlossen habe, die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter zu beenden. Bereits zuvor hatte der Betriebsrat kundgetan, dass er an Sitzungen nicht teilnehmen werde, an denen auch der Personalleiter teilnehme, was der Betriebsrat sodann beispielsweise in Form der Nichtteilnahme an einem Gespräch zur Umsetzung der Personalplanung aus einem bestehenden Interessenausgleich auch in die Tat umsetzte. Der Arbeitgeber sah schließlich keinen anderen Weg, als an den Betriebsrat eine „betriebsverfassungsrechtliche Ermahnung“ zu richten und ihn ein letztes Mal aufzufordern, die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter wieder aufzunehmen. Für den Fall, dass der Betriebsrat dem nicht nachkommen würde, kündigte der Arbeitgeber an, ein Beschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG einzuleiten und die Auflösung des Betriebsrats zu beantragen.
Die Situation spitzte sich im Folgenden jedoch immer weiter zu, sodass sich der Arbeitgeber letztlich gezwungen sah, den angekündigten Antrag auf Auflösung des Betriebsrats auch tatsächlich beim Arbeitsgericht Solingen einzureichen. Das Arbeitsgericht Solingen entscheid mit Beschluss vom 04.10.2019 (1 BV 27/18) zugunsten des Arbeitgebers die Auflösung des Betriebsrats. Hiergegen wendete sich der Betriebsrats mit einer Beschwerde zum LAG.
Das LAG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und löste den Betriebsrat gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG auf. Obwohl die Auflösung des Betriebsrats eine besonderes einschneidende Sanktion ist und hierfür hohe Hürden genommen werden müssen, kam also auch das LAG zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch der betrieblichen Gegebenheiten, eine weitere Amtsausübung des Betriebsrats untragbar sei. Es bestätigte die Auffassung der Vorinstanz, dass in der Weigerung des Betriebsrats, mit dem vom Arbeitgeber als zuständigen Ansprechpartner benannten Personalleiter zusammenzuarbeiten, ein erheblicher und offensichtlich schwerwiegender Pflichtverstoß liege. Der Betriebsrat habe die Weigerungshaltung förmlich beschlossen und tatsächlich auch über einen längeren Zeitraum in die Tat umgesetzt. Das LAG stellte insoweit fest, dass die Bestimmung eines Ansprechpartners kraft seiner Organisationshoheit alleine dem Arbeitgeber obliege. Selbst wenn der Personalleiter möglicherweise nicht in allen Punkten betriebsverfassungskonform gehandelt habe, durfte der Betriebsrat nach Auffassung des LAG die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter nicht einfach im Wege der Selbsthilfe einstellen. Er hätte sich stattdessen vielmehr der Mittel des Betriebsverfassungsrechts bedienen müssen. Durch sein gezeigtes Verhalten habe der Betriebsrat offenkundig und schwerwiegend gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen.
Der Beschluss des LAG ist zwar zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig, da dem Betriebsrat mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde noch die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zusteht. Er zeigt aber sehr deutlich, dass dem Handeln des Betriebsrats Grenzen gesetzt sind. Auch wenn die Anforderungen an einen offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverstoß des Betriebsrats angesichts der möglichen Folge in Form der Auflösung des Betriebsrats sehr hoch sind, sind diese regelmäßig jedenfalls dann erfüllt, wenn der Betriebsrat in die allein dem Arbeitgeber zustehende Organisationshoheit eingreift und sich eigenmächtig über die Handlungsmöglichkeiten nach dem Betriebsverfassungsrecht hinwegsetzt.
Dr. Lorenz Mitterer | Anna-Julia Quarg |
Rechtsanwalt | Rechtsanwältin |
Fachanwalt für Arbeitsrecht |