Der Coronavirus und das Arbeitsrecht
Aktuell ist auch in Deutschland eine erhebliche Ausbreitung der Atemweg-serkrankung COVID-19 festzustellen, die durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus) ausgelöst wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits am 30. Januar 2020 den Gesubdheitsnotstand ausgerufen. Nach Einschätzung der WHO handelt es sich bei dem Coronavirus also um ein außergewöhnliches Ereignis, das ernsthaft, plötzlich, ungewöhnlich oder unerwartet ist, die Gesundheit von Menschen auch über Staatsgrenzen hinweg gefährdet und eine prompte internationale Reaktion erfordert.
Im Folgenden beantworten wir die wesentlichen arbeitsrechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer solchen Pandemie stellen:
1. Informations- und Hinweispflichten des Arbeitgebers
1.1 Erkrankungen / Symptome im Betrieb
Arbeitgeber haben aufgrund arbeitsvertraglicher Schutz- und Fürsorgepflichten Gefahren für die Rechtsgüter ihrer Mitarbeiter – hierzu zählen insbesondere Gesundheit und Leben – so gering wie möglich zu halten. Der Arbeitgeber hat daher auch Sorge dafür zu tragen, dass seine Arbeitnehmer vor einer Ansteckung durch andere erkrankte Arbeitnehmer hinreichend geschützt werden.
Demnach ist der Arbeitgeber gehalten, seine Arbeitnehmer über das bestehende Infektions- und Erkrankungsrisiko aufzuklären und über Vorsorgemaßnahmen und angezeigtes Verhalten zu informieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Kenntnis von der Erkrankung eines Arbeitnehmers oder zumindest konkrekte Hinweise auf Infektionsrisiken im Betrieb besitzt.
Kommt der Arbeitgeber dieser Hinweispflicht nicht nach, setzt er sich einem erheblichen Haftungsrisiko aus. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Kausalität zwischen Pflichtverletzung durch den Arbeitgeber und der Gesundheitsverletzung des Arbeitnehmers im Fall unterbliebener Information der Belegschaft zu vermuten.
1.2 Aufenthalt von Arbeitnehmern in Risikogebieten
Arbeitgeber sollten Arbeitnehmer dementsprechend darauf hinweisen, dass das Auswärtige Amt auf seiner Internet-seite Reisewarnungen für besonders stark betroffene Gebiete ausgesprochen hat und diese laufend aktualisiert. Ferner sollten Arbeitgeber Arbeitnehmer allgemein darauf hinweisen, Reisen in solche Gebiete auf das Nötigste zu reduzieren sowie vor Reiseantritt einen Arzt aufzusuchen, um Atemwegser-krankungen und/oder ein geschwächtes Immunsystem auszuschließen.
Rückkehrer aus solchen Risikogebieten sollten ebenfalls darauf hingewiesen werden, im Falle grippeähnlicher Symptome umgehend einen Arzt aufzusuchen und der Arbeit bis zum ärztlichen Ausschluss einer Infektion mit dem Coronavirus fernzubleiben.
1.3 Allgemeine Angaben zur Krankheit sowie betriebliche (Notfall-)Maßnahmen
Es existiert eine Vielzahl nationaler und europäische arbeitsschutzrechtlicher
Regelungen. Genereller Konsens ist: der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer über die Sicherheit sowie den Unfall- und Gesundheitsschutz ausreichend und angemessen informieren.
Unterweisungen des Arbeitgebers müssen je nach Gefahrensituation und je nach möglicher Veränderung ggf. wiederholt und angepasst werden. In Abhängigkeit zum Verlauf des Coronavirus sowie den diesbezüglichen Veränderungen der Gefahrensituation ist eine Information des Arbeitgebers über die Erkrankungsrisiken erforderlich.
Der Arbeitgeber hat daher in geeigneter Form insbesondere über die Krankheit, deren Grundlagen, Symptome, Übertragungswege und die im Arbeitsverhältnis damit verbundenen Gefahren der Ansteckung zu unterrichten.
Im Falle einer Infizierung eines Arbeitnehmers bzw. bei begründetem (konkreten) Verdacht ist der Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen Gesundheitsbehörden verpflichtet, entsprechende Schutz- und Notfallmaßnahmen einzuleiten und diese durchzuführen. Hierüber hat er die Belegschaft in geeigneter Form zu informieren. In Betracht kommt eine Information z.B. über das Intranet oder ein Aushang am schwarzen Brett.
2. Auskunftspflicht des Arbeitnehmers
Der Arbeitgeber ist aus verschiedenen Gesichtspunkten auf eine zeitnahe Information über eine Infizierung mit dem Coronavirus sowie konkrete Verdachtsfälle angewiesen. Zum einen sind hier die unter Ziff. 1.1 dargestellten Hinweispflichten zu nennen. Zum anderen bedeutet ein krankheitsbedingter Ausfall für den Arbeitgeber eine finanzielle Mehrbelastung. Er muss den erkrankten Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu sechs Wochen vergüten, ohne eine Arbeitsleistung hierfür zu erhalten. Gerade bei einem längerfristigen Ausfall kann hinzukommen, dass ein Ersatz gefunden werden muss oder die Aufgaben des Erkrankten auf andere Arbeitnehmer umverteilt werden müssen.
2.1 Festgestellte Krankheiten und Symptome
Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber nicht darüber informieren, unter welcher Erkrankung er leidet. Im Fall von sog. meldepflichtigen Krankheiten gemäß Infektionsschutzge-setz(§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit der „Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht des Infektionsschutzgeset-zes auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus“ vom 30.01.2020) – hierzu gehört auch das Coronavirus – ist der Arbeitgeber jedoch ausnahmsweise von der Infektion bzw. dem begründeten Verdacht auf Infektion in Kenntnis zu setzen.
Gemäß § 6 IfSG sind Kliniken sowohl in begründeten Verdachtsfällen sowie bei festgestellten Infektionen verpflichtet, diese an das Robert Koch-Institut zu melden. Die örtlich zuständigen Gesundheitsämter leiten sodann die erforderlichen Maßnahmen ein. Hierzu gehört auch die Information des Arbeitgebers, damit dieser entsprechende Maßnahmen zum Schutz der restlichen Belegschaft einleiten kann (vgl. hierzu sogleich Ziff. 3).
2.2 Aufenthalt in Risikogebieten und Kontakt zu Risikopersonen
Der Arbeitgeber muss aufgrund seiner Schutz- und Fürsorgepflicht geeignete Maßnahmen ergreifen, um gesundheitliche Gefährdungen seiner Arbeitnehmer so weit wie möglich zu minimieren. Hierzu zählt auch die Vermeidung möglicher Ansteckungen der Arbeitnehmer untereinander.
Der Arbeitgeber ist daher berechtigt, Arbeitnehmer zu befragen, ob sich diese in letzter Zeit in Risikogebieten aufgehalten haben und/oder Kontakt zu Risikopersonen hatten. Dies gilt insbesondere dann, wenn entsprechende Anhaltspunkte hierfür vorliegen.
Diese Fragen sind vom Arbeitnehmer wahrheitsgemäß zu beantworten. Die Informationspflicht des Arbeitnehmers ist – sollte es an einem solchen Aufenthalt oder Kontakt fehlen – auf eine Negativauskunft beschränkt. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall seine Antwort auf „Nein“ beschränken.
3. Recht zur Freistellung / Vergütungspflicht / Überstunden
3.1 Schließung des Betriebs zum Zwecke des Infektionsschutzes
Sollte bereits bei mehreren Arbeitnehmern eines Betriebes eine Infektion mit dem Coronavirus festgestellt worden sein, sind die Gesundheitsbehörden berechtigt, den gesamten Betrieb aus Infektionsschutzgründen schließen. Die Arbeitnehmer müssen in diesem Fall zu Hause bleiben und der Arbeitgeber ist verpflichtet, weiterhin die geschuldete Vergütung zu zahlen bzw. bereits erkrankten Arbeitnehmern Entgeltfortzah-lung im Krankheitsfall zu leisten. Diese Verpflichtung resultiert aus dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers.
Der Arbeitgeber kann versuchen, sein wirtschaftliches Risiko durch Anordnung von Kurzarbeit auf Null zu reduzieren und so zumindest einen Teil der geschuldeten Vergütung von der Agentur für Arbeit ersetzt zu bekommen. Voraussetzung hierfür ist – neben der grundsätzlichen Zulässigkeit der Anordnung von Kurzarbeit aufgrund arbeits-oder tarifvertraglicher Regelung oder Betriebsvereinbarung – unter anderem, dass der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht. Dies dürfte bei einer Betriebsschließung aus Infekti-onsschutzgründen der Fall sein.
3.2 Einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber ohne behördliche Betriebsschließung
Eine einseitige Freistellung von gesunden Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber ohne dass eine behördliche Betriebsschließung angeordnet wurde, ist nur im begründeten Einzelfall zulässig.
Der Arbeitgeber ist jedenfalls dann berechtigt, gesunde Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen, wenn es im Betrieb bereits Verdachtsfälle im Hinblick auf eine Infektion und hierdurch die Ansteckung weiterer Arbeitnehmer droht. Das bloß abstrakte Vorliegen eines Infektionsrisikos durch den Kontakt mit anderen Menschen im Betrieb oder auf dem Weg zur Arbeit wird hingegen nicht ausreichen.
Grund dafür ist, dass Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, gemäß ihrer arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beschäftigt zu werden. Dieser Beschäftigungsanspruch ist Ausfluss der in Art. 2 Abs. 1 GG geregelten Handlungsfreiheit. Eine einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber kommt nur dann in Betracht, wenn das arbeitgeberseitige Interesse an der Freistellung das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.
In jedem Fall bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitnehmern die arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung weiterzuzahlen.
3.3 Einseitige Anordnung von Urlaub
Die einseitige Anordnung von Urlaub durch den Arbeitgeber wegen des Coronavirus ist unzulässig. Zwar kann der Arbeitgeber – sofern der Arbeitnehmer noch keine Urlaubswünsche angemeldet hat – grundsätzlich den Urlaubszeitraum von sich aus bestimmen. Jedoch ist der Arbeitnehmer nicht gehalten, diese Bestimmung hinzunehmen. Er kann die Urlaubserteilung für den vom Arbeitgeber festgelegten Zeitraum ablehnen und abweichende Urlaubswünsche äußern. Etwas anderes ergibt sich auch nicht dann, wenn der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Betrieb fernbleibt. Denn andernfalls könnte es zu dem Ergebnis kommen, dass der gesamte Jahresurlaub eines Arbeitnehmers durch die einseitige Urlaubsanordnung während der Corona-Krise verbraucht wird, und der Arbeitnehmer nicht mehr die Möglichkeit hat, seinen Urlaub wie von ihm geplant in Anspruch zu nehmen.
Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt ist, einen gewissen Teil des Jahresurlaubs als Betriebsurlaub anzuordnen. Betriebsurlaub muss in der Regel mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf angekündigt werden, damit Arbeitnehmer ihren Urlaub planen können.
Eine Urlaubsanordnung wegen des Coronavirus würde hingegen sehr kurzfristig erfolgen und wäre daher unzulässig.
3.4 Einseitige Anordnung von Überstunden
Auch der umgekehrte Fall ist der denkbar: der Arbeitgeber kann die noch im Betrieb tätigen Arbeitnehmer insbesondere zur Einhaltung von Fertigstellungsterminen oder Fristen zum Ableisten von Überstunden verpflichten.
Die Befugnis des Arbeitgebers zur einseitigen Anordnung von Überstunden kann sich sowohl aus kollektivrechtlichen Regelungen als auch aus dem eweiligen Arbeitsvertrag ergeben. Selbst wenn sich der Arbeitgeber ein solches Recht nicht vorbehalten hat, gebietet die Treuepflicht die Erbringung von Überstunden, wenn sich der Arbeitgeber in einer Notlage befindet, der anders nicht begegnet werden kann. Der krankheitsbedingte Ausfall vieler Arbeitnehmer ist ein nicht vom Arbeitgeber verschuldeter und unvorhersehbarer Notfall, die übrigen Arbeitnehmer sind daher aufgrund der allgemeinen Treue- und Rücksichtnahmepflicht zur Ableistung von Überstunden verpflichtet.
4. Home-Office
4.1 Einseitige Anordnung von Home-Office durch den Arbeitgeber
Der Arbeitgeber kann Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zwingen, im Home-Office zu arbeiten, es sei denn, es besteht eine arbeitsvertragliche oder betriebliche Regelung, die den Arbeitgeber hierzu ermächtigt und beim Arbeitnehmer zu Hause ein Arbeitsplatz vorhanden ist.
Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass er im Betrieb des Arbeitgebers bzw. an dem sonst vertraglich vereinbarten Ort beschäftigt wird.
Einvernehmliche Regelungen zur Arbeit im Home-Office während einer Pandemie sind natürlich jederzeit möglich.
4.2 Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeit von zu Hause
Allein aufgrund der Angst vor einer Infektion darf der Arbeitnehmer nicht von zu Hause aus arbeiten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn zwischen den Parteien eine arbeitsvertragliche Vereinbarung oder im Betrieb des Arbeitgebers eine entsprechende Vereinbarung mit der Mitarbeitervertretung existiert, aus der sich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeit im Home-Office ergibt.
Das grundsätzliche Bestehen eines erhöhten Infektionsrisikos bei einer Tätigkeit vor Ort im Betrieb des Arbeitgebers ändert hieran nichts. Dieses gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Für den Fall eines konkreten Verdachts, dass andere Arbeitnehmer sich mit dem Virus infiziert haben, kommt ein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung (dazu oben unter Ziff. 3.2) sowie ein Leis-tungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers (dazu sogleich unter Ziff. 5) in Betracht.
5. Recht zum Fernbleiben von der Arbeit
5.1 … aus Angst vor dem Coronavirus
Verweigert ein Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung die Arbeit, obwohl im Betrieb kein Verdacht auf eine Infektion besteht, ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer abzumahnen und im Wiederholungsfall auch verhaltensbedingt zu kündigen. Zudem verliert der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Vergütung.
Unterlässt der Arbeitgeber dagegen trotz konkreter Infektionsgefahr im Betrieb die Einleitung angemessener Schutzmaßnahmen, wird der Arbeitnehmer ungestraft der Arbeit fern bleiben können. Seinen Vergütungsanspruch verliert er in diesem Fall nicht.
5.2 … wegen der Schließung von Kindergärten und Schulen
Eltern müssen sich bei einer Kita- oder Schulschließung aufgrund des Corona-virus zunächst um eine alternative Betreuung für ihre Kinder kümmern. Wenn eine alternative Betreuung nicht möglich ist, müssen sie Urlaub nehmen. Der Arbeitgeber kann den Urlaubswunsch des Arbeitsnehmers in diesem Fall nicht ohne Weiteres ablehnen. Jedoch können Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, deren Kinder ebenfalls ohne Betreuung sind.
Alternativ kann der Mitarbeiter den Arbeitgeber um eine Freistellung bitten, allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall nicht verpflichtet, für die Dauer der Freistellung Arbeitsentgelt zu zahlen.
6. Anspruch des Arbeitgebers auf Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bzw. Gesundschreibung
Eine klassische Gesundschreibung, d.h., die Bestätigung eines Arztes, dass eine Erkrankung auskuriert ist und eine Infektion von dieser Person nicht mehr übertragen werden kann, ist für das Coronavirus gesetzlich nicht vorgesehen. Lediglich im Bereich der Lebensmittelherstellung, -verarbeitung und – versorgung ist eine Unbedenklichkeits-bescheinigung, d.h. eine Bestätigung eines Arztes, nach der eine Person bestimmte Erkrankungen oder Infektionen nicht vorweist, gesetzlich vorgesehen. Diese Krankheiten und Erreger betreffen jedoch nicht das Coronavirus.
Aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann jedoch unter Umständen aus dem Arbeitsverhältnis eine Pflicht zur Vorlage einer Bescheinigung, in der das Nichtbestehen einer Ansteckungsgefahr bestätigt wird, als Nebenpflicht bestehen.
6.1 Bei Erkrankung des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seinem Arbeitgeber die Art seiner Erkrankung mitzuteilen und hierüber Auskunft zu geben (s.o. Ziff. 2). Dies folgt bereits aus dem individuellen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Zwar zählt die Erkrankung bzw. Infektion mit dem Coronavirus zu den nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Infektionen, jedoch besteht diese Meldepflicht zunächst nicht im Verhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber. Vielmehr sieht das Gesetz lediglich die durch Ärzte vorzunehmende namentliche Meldung gegenüber den Gesundheitsämtern vor, wobei diese (bei einer bestätigten Infektion oder Erkrankung) auch befugt sind, den Arbeitgeber der betroffenen Person informieren zu können.
Damit der Arbeitgeber bei Kontakt des erkrankten Arbeitnehmers mit anderen Personen im Betrieb der Ausbreitung einer Infektion mit der Gefahr ernsthafter Auswirkungen auf Dritte entgegenwirken kann, kommt jedoch nach Abklingen der Erkrankung im Zusammenhang mit einer Infektion durch das Coronavirus aus dem Gedanken der gegenseitigen Rücksichtnahme ein direkter Anspruch auf Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung in Betracht, die das Nichtbestehen einer Ansteckungsgefahr für Dritte bestätigt.
6.2 Nach Aufenthalt in einem Risikogebiet oder Kontakt zu infizierten Personen
Auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer in einem vom Robert Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebiet aufgehalten hat, kommt bei Nichtvorliegen akuter respiratorischer Symptome kein Anspruch des Arbeitgebers in Betracht, nach dem der Arbeitnehmer verpflichtet ist, durch ärztliche Bescheinigung zu bestätigen, dass von ihm kein akutes Infektionsrisiko mit dem Coronavirus ausgeht. Allenfalls nach Auftreten entsprechen der Symptome und bestätigter Infektion mit dem Coronavirus kann – wie oben beschrieben – ein Anspruch auf Vorlage einer Unbedenklichkeitsbe-scheinigung aus dem Gedanken der gegenseitigen Rücksichtnahme abgeleitet werden.
7. Dienstreisen
7.1 Recht des Arbeitgebers zur Anordnung von Dienstreisen
Die arbeitsvertragliche Pflicht des Arbeitnehmers zur Vornahme von Dienstreisen entfällt nicht per se aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus. Aufgrund der arbeitgeberseitigen Schutz- und Fürsorgepflicht gilt allerdings eine Einschränkung für Dienstreisen in Gegenden, in denen eine erhebliche Gefahr der Ansteckung besteht (Risikogebiete). Als maßgeblich werden hier in erster Linie die aktuellen Reisewarnungen das Auswärtigen Amts anzusehen sein, in der Regel unter Bezugnahme auf die Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Robert Koch-Instituts ausgegeben werden.
7.2 Pflicht des Arbeitgebers zur Rückho-lung von Arbeitnehmern aus Risikogebieten
Aufgrund der dargestellten Schutz- und Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber daneben verpflichtet, die Rückreise von Arbeitnehmern, die sich dienstlich in Risikogebieten aufhalten, zu veranlassen.
Da bereits der Aufenthalt in einem solchen Gebiet einen hinreichend konkreten Verdacht darstellen dürfte, sollten diese Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit nach ihrer Rückkehr nicht vor Ort im Betrieb tätig werden und/oder eine ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen (dazu oben unter Ziff. 6).
8. Sonstige Maßnahmen des Arbeitgebers
8.1 Vorgaben zum Umgang / Notfallplan
Es empfiehlt sich unbedingt, verbindliche Vorgaben zum Umgang mit der gegenwärtigen Situation zu machen und diese im Betrieb zu veröffentlichen. Enthalten sein sollten vor allem
- die Einhaltung von Hygienestandards
- die Definition von Verdachtsfällen
- das Verhalten bei Vorliegen eines Verdachts
- das Verhalten im Falle einer nachgewiesenen Infektion
- die im Betrieb zuständigen Stellen
- die aktuellen Vorgaben zur Vornahme von Dienstreisen
Daneben sollte ein Notfallplan zur Aufrechterhaltung des Betriebs im Falle einer Infektion und bei Betriebsschließung erstellt werden.
8.2 Mitbestimmungsrecht
Einzelne Regelungsgegenstände der Vorgaben zum Umgang mit der gegenwärtigen Situation und des Notfall-plans dürften das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen und somit vom Mitbestimmungsrecht einer etwaig im Betrieb bestehenden Mitarbeitervertretung erfasst sein. Zudem dürften nicht selten bereits betriebliche Vereinbarungen existieren, die diese Regelungsgegenstände zum Teil mitregeln.
Aufgrund dessen ist eine Beteiligung der Mitarbeitervertretung bei der Erstellung der Vorgaben zum Umgang mit der gegenwärtigen Situation und des Notfallplans in der Praxis unumgänglich.
Wir halten Sie selbstverständlich wie gewohnt fortlaufend über die aktuellen Entwicklungen informiert.
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