Sozialschutzpaket II – wesentliche Maßnahmen
Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sollen in den kommenden Monaten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter abgemildert werden.
Beschlossen wurde im Falle eines Entgeltausfalls von mindestens 50% die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ab dem vierten Bezugsmonat auf 70% bzw. 77% und ab dem siebten Bezugsmonat auf 80% bzw. 87% sowie die Verlängerung der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld auf bis zu 21 Monate, längstens jedoch bis zum 31.12.2020. Zudem wurde die Hinzuverdienstgrenze während des Bezugs von Kurzarbeitergeld bis zur vollen Höhe des bisherigen Monatseinkommens für alle und damit auch nicht-systemrelevante Berufe beschlossen.
In der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit soll nach den beschlossenen Regelungen die Möglichkeit des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der mündlichen Verhandlung gefördert werden, sodass neben den Parteien und bevollmächtigten auch Zeugen, Sachverständige und ehrenamtliche Richter per Bild- und Tonübertragung an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können.
Steuer- und abgabenfreie Sonderzahlungen bis EUR 1.500,00
Arbeitgebern wird ermöglicht, ihren Beschäftigten im Jahr 2020 eine Sonderzahlung in Höhe von bis zu EUR 1.500,00 steuer- und abgabenfrei zukommen zu lassen. Voraussetzung ist, dass die Zahlung zusätzlich zum Arbeitslohn zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.12.2020 bei dem Beschäftigten eingeht und im Lohnkonto erfasst wird.
BAG: Arbeitgeber darf auf Inhalte eines privat genutzten dienstlichen Endgeräts zugreifen
Aufgrund der weitverbreiteten Tätigkeit vom Home-Office seit Ausbruch der Corona-Pandemie möchten wir an dieser Stelle noch einmal auf das Urteil des BAG zum Zugriff auf Inhalte eines privat genutzten Endgeräts hinweisen.
Danach ist der Arbeitgeber berechtigt, Dateien, die sich auf einem dienstlichen Endgerät befinden und nicht als „privat“ gekennzeichnet oder offenkundig privater Natur sind, einzusehen – auch wenn kein begründeter Verdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung im Raum steht (BAG, Urteil vom 31.01.2019 – 2 AZR 426/18).
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stellte der beklagte Arbeitgeber dem Kläger einen Pkw nebst Tankkarte zur Verfügung und genehmigte auch die private Nutzung. Bei Durchsuchung des Dienstlaptops des Klägers im Rahmen einer internen Revision stieß die Beklagte auf eine Aufstellung von Tankvorgängen, die mit der zur Verfügung gestellten Tankkarte vorgenommen wurden. Aufgrund der dort eingegebenen Daten ergab sich für die Beklagte der dringende Verdacht, dass der Kläger die Tankkarte auch zur Betankung weiterer Fahrzeuge genutzt hatte. Aus diesem Anlass kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis.
Entgegen der Auffassung des Klägers verstieß die Einsichtnahme und Nutzung der gefundenen Daten durch die Beklagte nicht gegen das Datenschutzrecht und unterlag keinem Verwertungsverbot, sodass sie zur Begründung der ausgesprochenen Kündigung herangezogen werden konnten.
PRAXISHINWEIS: Die Erhebung von Daten im Einklang mit dem Datenschutzrecht erlaubt auch deren Nutzung gegen den Arbeitnehmer. Die Entscheidung beschränkt sich allerdings auf dienstliche Daten. Sind Daten dagegen als „privat“ gekennzeichnet oder offensichtlich privater Natur dürfen diese durch den Arbeitgeber nicht eingesehen werden.
LAG Rheinland-Pfalz: Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers hinsichtlich der Urlaubsansprüche langandauernd erkrankter Arbeitnehmer
Urlaubsansprüche langandauernd erkrankter Arbeitnehmer erlöschen auch dann mit dem 31. März des zweiten Folgejahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen hat (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.1.2020 – 7 Sa 284/19).
Im entschiedenen Fall machte der zwischen Januar 2016 und Februar 2019 durchgehend erkrankte Kläger gegenüber der Beklagten die Abgeltung von Resturlaubsansprüchen aus dem (Urlaubs-)Jahr 2016 geltend. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihn gerade auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH auf den Verfall der Urlaubsansprüche rechtzeitig hätte hinweisen müssen, ein solcher Hinweis jedoch nicht erfolgte. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern wies die Klage ab. Das LAG Rheinland-Pfalz bestätigte die Entscheidung.
Das LAG vertritt die Auffassung, eine Hinweispflicht der Beklagten mit dem Ziel, dass der Kläger seinen Urlaubsanspruch rechtzeitig wahrnimmt, liefe bei dem langzeiterkrankten Kläger schon deshalb leer, da die Beklagte den Urlaub (aufgrund der bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers) gar nicht gewähren könnte. Insofern sei die Hinweispflicht obsolet und ein Urlaubsverfall auch ohne Hinweis des Beklagten europarechtskonform auf Grundlage der vom Bundesarbeitsgericht gefestigten Rechtsprechung möglich. Danach nämlich verfallen gesetzliche Urlaubsansprüche auch dann mit Ablauf eines Zeitraums von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war. Dieser Grundsatz gelte auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.
PRAXISHINWEIS: Aufgrund der Zulassung der Revision ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wahrscheinlich. Insoweit ist zu erwarten, ob in entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch gegenüber langzeiterkrankten Arbeitnehmern ein Hinweis zum Verfall von Urlaubsansprüchen erteilt werden muss, oder ein solcher mangels Möglichkeit der Urlaubsgewährung nicht erforderlich ist. Nachdem die Rechtsprechung hierzu noch nicht gefestigt ist, sollten sämtliche Arbeitnehmer auf den möglichen Verfall von Urlaubsansprüchen entsprechend der Grundsätze des EuGH, d.h. rechtzeitig, individuell und konkret, hingewiesen werden.
Schärfere Arbeitsschutzauflagen für die Fleischindustrie beschlossen
Das Eckpunktepapier des Bundeskabinetts vom 20.05.2020 (federführend: Bundesministerium für Arbeit und Soziales) sieht weitreichende Maßnahmen für die Fleischindustrie vor.
Darin heißt es u.a., dass der Zoll und die Arbeitsschutzbehörden Maßnahmen ergreifen sollen, um die Arbeits-, Infek-tions- und Gesundheitsschutzstandards in den Betrieben der Fleischindustrie sicherzustellen. Zudem ist beabsichtigt, ab dem 01.01.2021 das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch nur noch durch Beschäftigte des eigenen Betriebes, also eigene Arbeitnehmer, zu erlauben. Dies hieße, dass weder der Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassung, noch der Einsatz von Werkverträgen für einzelne Verarbeitungsschritte zulässig sein werden.
AUSBLICK: Gerade bei saisonalem Arbeitskräftebedarf könnte es dadurch zu erheblichem Personalmangel kommen. Unklar bleibt auch, ob eine einzelne Branche aus dem Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes herausgenommen werden kann und rechtswirksame Vorgaben zur Bearbeitung der Wert-schöpfungskette durch eigene Arbeitnehmer gemacht werden können.
Über die weitere Entwicklung halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.