Update: Vermutung der Störung der Geschäftsgrundlage bei Gewerberaummietverträgen und Pachtverträgen ist nun Gesetz
In unserem Blogbeitrag vom 18.12.2020 berichteten wir über den Bundestagsbeschluss zur gesetzlichen Vermutung einer Störung der Geschäftsgrundlage bei Gewerberaummietverträgen und Pachtverträgen aufgrund der Covid-19-Pandemie (https://zirngibl.de/bundestagsbeschluss-vermutung-der-stoerung-der-geschaeftsgrundlage-bei-gewerbe-raummietvertraegen-waehrend-der-corona-pandemie-und-beschleunigung-von-verfahren-ueber-pandemiebedingte-miet-und-pachta/).
Am 01.01.2021 ist Art. 240 § 7 EGBGB in Kraft getreten. Demnach wird (widerleglich) vermutet, dass erhebliche (Nutzungs-)Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können.
Ziel des Gesetzgebers ist es vor allem, die Vertragsparteien an den Verhandlungstisch zu holen, um gemeinsam für den konkreten Einzelfall eine Lösung zu finden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in der Vergangenheit viele Verhandlungen zu Vertragsanpassungen bereits daran scheitern, dass sich eine der jeweiligen Vertragsparteien darauf berief, dass die Covid-19-Pandemie keinen Fall der Störung der Geschäftsgrundlage darstelle. Dem tritt er Gesetzgeber nun entgegen, indem er klarstellt, dass § 313 BGB in dieser Konstellation grundsätzlich Anwendung finden kann.
Die neue gesetzliche Vermutung schafft für die jeweiligen Vertragsparteien allerdings kaum mehr Klarheit. Die Vermutungswirkung bezieht sich „nur“ auf das Tatbestandsmerkmal der schwerwiegenden Änderung der Geschäftsgrundlage und damit nur auf eine von mehreren Voraussetzungen für den Anspruch auf Vertragsanpassung. Wird man häufig auch die weitere Voraussetzung „Vertrag wäre bei Vorhersehbarkeit der Störung so nicht geschlossen worden“ bejahen, ist das Vorliegen der Voraussetzung „Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar“ (insbesondere unter Berücksichtigung der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung) Stand heute in der Mehrzahl der Fälle offen und obliegt im Streitfall der Einzelfallbewertung eines Gerichts. Argumente sind für eine Ablehnung wie auch für die Annahme dieser Voraussetzung denkbar.
Die bisherigen zum Teil mieter- und zum Teil vermieterfreundlichen Gerichtsentscheidungen lassen insoweit keine klare Linie erkennen (vgl. bereits unsere Übersicht unter https://zirngibl.de/aktuelle-rechtsprechung-zur-mietzahlungspflicht-in-gewerberaummietvertraegen-waehrend-der-corona-pandemie/; auch die jüngst entgangenen Entscheidungen, die in der Übersicht noch nicht berücksichtigt werden konnten, lassen keine andere Bewertung zu).
Der Gesetzgeber ahnt wohl vor diesem Hintergrund, dass sich die Mietvertragsparteien mit der einvernehmlichen Lösung vielfach schwer tun werden: Er hat zumindest mit dem ebenfalls neu eingeführten § 44 EGZPO eine Verfahrensvorschrift eingefügt, nach welcher Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie vorrangig und beschleunigt zu behandeln sind.
Letztlich bleibt abzuwarten, ob sich noch eine gefestigte Rechtsprechung entwickelt, die den Vertragsparteien mehr Orientierung bieten kann. In Kürze werden wir Ihnen an dieser Stelle eine aktualisierte Übersicht über die bisherige einschlägige Rechtsprechung zur Verfügung stellen. Sofern Sie darüber hinaus ein konkretes Anliegen haben, unterstützen wir Sie gerne.
Ihr Team Immobilien- und Baurecht