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ZIRNGIBL – ZL Aktuell Arbeitsrecht 08/2020

LAG Hamburg: Beteiligung des Betriebsrats bei der Festlegung des erforderlichen Personals

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg sprach dem Betriebsrat entgegen
der Vorinstanz ein Beteiligungsrecht bei der Festlegung der (Mindest-)Anzahl an Mitarbeitern, die für die Erledigung der anfallenden betrieblichen Aufgaben erforderlich ist, zu. Die damit einhergehende Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers sei nach Ansicht des Gerichts hinzunehmen (LAG Hamburg, Beschluss vom 16.07.2020 – 8 TaBV 8/19).

Im vom LAG Hamburg zu entscheidenden Fall stritten Arbeitgeberin, die zu
einem Klinikverbund gehört und an mehreren Standorten Kliniken betreibt, und Betriebsrat über die Wirksamkeit eines Teilspruchs einer Einigungsstelle. Dieser Teilspruch sah für verschiedene Klinikabteilungen jeweils eine bestimmte – für die Arbeitgeberin verpflichtend
einzuhaltende – Relation zwischen Bettenzahl und ärztlichem Personal sowie eine definierte Untergrenze von Vollzeitkräften vor. Grundlage dieser Festsetzungen war ein Gefährdungsgutachten.

Das LAG Hamburg sah die Festlegungen der personellen Mindeststärken im
Teilspruch der Einigungsstelle nicht als ermessensfehlerhaft an. Seine Auffassung begründete das Gericht u.a. damit,
dass die Bewertung, welche Maßnahme zur Behebung der festgestellten Gefährdung – auch unter Einbeziehung ökonomischer Kriterien – am besten
geeignet ist, Gegenstand des dem Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zustehenden Ermessens ist, bei dessen Ausübung der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen habe. Durch die Festlegung einer bestimmten Relation von Betten und Vollzeitkräften sei die Freiheit der Arbeitgeberin unberührt,
Art und Umfang der von ihr angebotenen Leistungen im Rahmen der
für Krankenhäuser geltenden öffentlichrechtlichen Vorschriften selbst zu bestimmen.

PRAXISHINWEIS:
Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage, ob eine Maßnahme des Arbeitsschutzes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 1 ArbSchG ggf. in der Festlegung einer personellen Mindestbesetzung
bestehen kann, bisher nicht entschieden. Es bleibt daher abzuwarten,
ob an einer Beteiligung des Betriebsrats bei der Personalplanung über das Einfallstor der arbeitsschutzrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 BetrVG festgehalten wird. Die Beteiligung des Betriebsrats bei der Personalplanung ist an sich nach § 92 BetrVG auf ein Informations-
und Erörterungsrecht begrenzt.

LAG Nürnberg: Arbeitgebervertreter muss mit dem Betriebsrat nicht Deutsch sprechen

Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass der Arbeitgebervertreter Deutsch spricht, sofern eine ausreichende Übersetzung im Betrieb gewährleistet ist, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg
in seinem Beschluss vom 18.06.2020 – 1 TaBV 33/19.

Die Parteien stritten über die Frage, ob die Filialleiterin eines internationalen Modekonzerns mit den Arbeitnehmern sowie dem Betriebsrat Deutsch sprechen muss. Eine Vorgabe zur Unternehmenssprache existierte im Unternehmen
nicht. Der Betriebsrat sah in der überwiegend auf Englisch geführten
Kommunikation der Filialleiterin einen Verstoß gegen das Gebot zur Verwendung der deutschen Sprache und damit eine Verletzung in seinen Mitbestimmungsrechten.

Das LAG Nürnberg erteilte dieser Auffassung eine Absage. Demnach kann der Betriebsrat nicht verlangen, dass der Arbeitgeber selbst oder der vom Arbeitgeber bestimmte Vertreter nur in einer Weise mit ihm kommuniziert, in der der zu den Besprechungen oder Verhandlungen entsandte Arbeitgebervertreter ausschließlich Deutsch spricht. Entscheidend ist, dass sämtliche Erklärungen des Arbeitgebervertreters in verständlicher Form gegenüber Betriebsratsmitgliedern abgegeben und die Erklärungen von Betriebsratsmitgliedern gegenüber dem Arbeitgebervertreter auch entgegengenommen werden können. Hierzu gehört, dass Erklärungen des Arbeitgebervertreters – gleich ob in Schrift, Text oder mündlicher Form – gegenüber Betriebsratsmitgliedern zumindest dann in deutscher Sprache abgegeben werden, wenn diese die Fremdsprache nicht (ausreichend) beherrschen.

PRAXISHINWEIS:
Die Entscheidung kommt insbesondere international tätigen Unternehmen entgegen. Arbeitgeber können demnach auch fremdsprachige Führungskräfte als Ansprechpartner gegenüber dem Betriebsrat einsetzen, solange gewährleistet ist, dass die Kommunikation zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber wechselseitig verstanden wird. Letzteres ist von zentraler Bedeutung, da das Risiko fehlerhafter Übersetzungen zu Lasten des Arbeitgebers geht. Dies gilt nicht nur für Erklärungen des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat, sondern vice versa.

LAG Düsseldorf: Betriebsrat darf nach verweigerter Zusammenarbeit mit Personalchef aufgelöst werden

Das LAG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 23.06.2020 zu der Frage Stellung bezogen, ob der Betriebsrat die Zusammenarbeit mit einem Arbeitgebervertreter in zulässiger Weise verweigern darf, Beschluss vom 23.06.2020, 14 TaBV 75/19.

Die Parteien stritten über den Antrag des Arbeitgebers, den 13-köpfigen Betriebsrat aufzulösen. Anlass des Konflikts war ein förmlicher Beschluss des Betriebsrats, die Zusammenarbeit mit dem vom Arbeitgeber als zuständigen Ansprechpartner benannten Personalleiter zu verweigern. So teilte der Betriebsrat u.a. der Werks- und Personalleitung mit, dass die Zusammenarbeit mit der Personalleitung beendet werde und forderte den Arbeitgeber auf, ihm einen neuen Ansprechpartner zu benennen. In weiterer Umsetzung des Beschlusses strich der Betriebsrat den Personalleiter sogar aus dem Verteiler und leitete Mitteilungen und Beschlüsse an andere Mitarbeiter weiter. Aufforderungen des Arbeitgebers an den Betriebsrat, die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter wieder aufzunehmen blieben ohne Erfolg. Die Verweigerungshaltung des Betriebsrats ging so weit, dass der Betriebsrat an Sitzungen zur Umsetzung der Personalplanung aus einem bestehenden Interessenausgleich nicht teilnahm, sofern auch der Personalleiter anwesend war.

Die Situation spitzte sich im Folgenden immer weiter zu, sodass sich der Arbeitgeber schließlich gezwungen sah, beim Arbeitsgericht Solingen einen Antrag auf Auflösung des Betriebsrats einzureichen. Sowohl das Arbeitsgericht Solingen als auch LAG Düsseldorf bestätigten das Vorgehen des Arbeitgebers und lösten den Betriebsrat auf.

Das LAG Düsseldorf bewertete die Weigerung des Betriebsrats, mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten, als einen erheblichen und offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverstoß, der geeignet sei, die hohen Anforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu erfüllen. Hierfür spreche, dass der Betriebsrat die Weigerungshaltung förmlich beschlossen und tatsächlich über einen längeren Zeitraum in die Tat umgesetzt habe. Das LAG Düsseldorf stellte außerdem klar, dass die Bestimmung eines Ansprechpartners alleine dem Arbeitgeber kraft seiner Organisationshoheit obliege. Selbst wenn der Personalleiter möglicherweise nicht in allen Punkten betriebsverfassungskonform gehandelt habe, durfte der Betriebsrat nach Auffassung des LAG die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter nicht einfach im Wege der Selbsthilfe einstellen. Er hätte sich stattdessen vielmehr der Mittel des Betriebsverfassungsrechts bedienen müssen.

Praxishinweis:
Der Beschluss des LAG Düsseldorf ist zwar zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig. Gleichwohl zeigt die Entscheidung aber sehr deutlich, dass dem Handeln des Betriebsrats Grenzen gesetzt sind. Auch wenn die Anforderungen an einen offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverstoß des Betriebsrats sehr hoch sind, sind diese regelmäßig jedenfalls dann erfüllt, wenn der Betriebsrat in die allein dem Arbeitgeber zustehende Organisationshoheit eingreift und sich eigenmächtig über die Handlungsmöglichkeiten nach dem Betriebsverfassungsrecht

BVerfG: Streikbrecherverbot für Leiharbeitnehmer ist verfassungsgemäß

Mit Beschluss vom 19.06.2020 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun bestätigt, worüber lange Uneinigkeit bestand: Das sog. Streikbrecherverbot gemäß § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist verfassungsgemäß, Beschluss v. 19.06.2020 – 1 BvR 842/17. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall sah sich die Beschwerdeführerin, eine bundesweit tätige Kinobetreiberin, durch das im Zuge der AÜG-Reform im Jahr 2017 eingeführte Streikbrecherverbot in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit verletzt. Die Regelung sei verfassungswidrig, da hierdurch die Arbeitskampfparität zulasten des Arbeitgebers verschoben werde.

Hintergrund des Verbots ist, dass Entleiher Leiharbeitnehmer zunehmend auf streikbetroffenen Arbeitsplätzen einsetzten, um hierdurch den ordnungsgemäßen Betriebsablauf – zumindest teilweise – aufrechtzuerhalten und den Arbeitskampf damit faktisch ins Leere laufen zu lassen. Diesem Vorgehen schiebt § 11 Abs. 5 AÜG einen Riegel vor: Entleiher dürften Leiharbeitnehmer demnach grundsätzlich nicht tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist.

Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg: Die Karlsruher Richter erachteten unter umfassender Abwägung aller Belange das Streikbrecherverbot als verfassungsmäßig. Zwar würden Arbeitgeber hierdurch in ihrer Entscheidung beschränkt, Leiharbeitskräfte einzusetzen, um sich gegen einen Streik zu wehren. Gleichwohl verbiete die Regelung nicht den generellen Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb, sondern beschränke diesen lediglich auf einen (un-)mittelbaren Einsatz als Streikbrecher. Das gesetzgeberische Ziel, auch Leiharbeitnehmern ein angemessenes Arbeitsverhältnis zu gewähren sowie eine funktionierende Tarifautonomie zu erhalten, überwiege daher die Interessen des Arbeitgebers.

Praxishinweis:
Mit dem Beschluss des BVerfG steht nunmehr fest, dass die in die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers eingreifenden Beschränkungen des § 11 Abs. 5 AÜG wirksam sind. Arbeitgeber sollten daher davon absehen, Leiharbeitnehmer auf bestreikten Arbeitsplätzen einzusetzen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 500.000,00 geahndet werden. Eine konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung bleibt dagegen weiterhin zulässig, soweit sie nur gelegentlich stattfindet und ein Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt wurde. Der konzerninterne Personalaustausch bleibt daher ein zulässiges Mittel zur Überbrückung von Kapazitätsengpässen während eines Streiks.

Neue SARS-COV-2 Arbeitsschutzregel tritt in Kraft

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat Anfang August die neue SARS-COV-2 Arbeitsschutzregel zur Bekanntmachung im Ministerialblatt freigegeben.

Die neue Arbeitsschutzregel enthält im Wesentlichen Konkretisierungen der im April 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entwickelten allgemeinen Arbeitsschutzstandards. Über die Einführung der allgemeinen Arbeitsschutzstandards hatten wir bereits hier berichtet. Ziel der Arbeitsschutzregel ist, das Infektionsrisiko für Beschäftigte zu senken. Zentrale Maßnahmen bleiben auch weiterhin Abstand, Hygiene sowie das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen. Neben Begriffsbestimmungen und Konkretisierung der schon in den allgemeinen Arbeitsschutzstandards enthaltenen Schutzmaßnahmen, gibt die Arbeitsschutzregel u.a. auch konkrete Handlungsanweisungen zum Umgang mit besonders schutzbedürftigen Beschäftigten sowie solchen Beschäftigten, die nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

Praxishinweis:
Bestehende Schutz- und Hygienekonzepte sollten daher noch einmal kritisch mit den Vorgaben der Arbeitsschutzregel abgeglichen und ggf. angepasst werden. Im Fall eines Verstoßes steht neben einer schuldrechtlichen Haftung gegenüber den verletzten Arbeitnehmern im Einzelfall sogar eine straf- bzw. ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit der für den Arbeitgeber verantwortlich handelnden Personen und des Unternehmens des Arbeitgebers (§ 130 OWiG) im Raum.

Die Arbeitsschutzregel dient zusammen mit den allgemeinen Arbeitsschutzstandards als Beurteilungsgrundlage der Gesundheitsämter für die Frage, ob und inwiefern Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Die Arbeitsschutzregel können Sie hier abrufen.

Bund-Länder-Beschluss zur Bekämpfung der SARS-COV-2 Pandemie

Am 27.08.2020 haben sich Bund und Länder auf einen Katalog gemeinsamer Maßnahmen zur weiteren Bekämpfung der SARS-COV-2-Pandemie verständigt. Erwähnenswert sind insbesondere folgende Punkte:

  • Verpflichtung von Reiserückkehrern aus Risikogebieten, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort zu isolieren (Quarantäne).
  • Soweit möglich, ist auf Reisen in Risikogebiete zu verzichten. Bund und Länder streben kurzfristig eine Rechtsänderung mit dem Ziel an, dass bundeseinheitlich eine Entschädigung für den Einkommensausfall dann nicht gewährt wird, wenn eine Quarantäne aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet erforderlich wird.
  • Einführung einer neuen Regelung zur Selbstisolation (Quarantäne) ab 01.10.2020 für Reiserückkehrer aus Risikogebieten, wonach eine vorzeitige Beendigung der Selbstisolation frühestens durch einen Test ab dem 5. Tag nach Rückkehr möglich ist.

Praxishinweis:
Insbesondere die geplante Rechtsänderung, wonach eine Entschädigung gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) im Falle einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet entfällt, spricht dafür, dass Arbeitnehmern dann auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz (EfZG) zusteht.

Rechtsgebietsübergreifend halten wir Sie über alle aktuellen und praxisrelevanten Entwicklungen und Änderungen auch auf unserer Homepage unter www.zl-legal.de/corona und www.zl-legal.de/zl-aktuell stets informiert.

Ihr CC Arbeitsrecht

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ZIRNGIBL – ZL Aktuell Arbeitsrecht 08/2020

LAG Hamburg: Beteiligung des Betriebsrats bei der Festlegung des erforderlichen Personals

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg sprach dem Betriebsrat entgegen
der Vorinstanz ein Beteiligungsrecht bei der Festlegung der (Mindest-)Anzahl an Mitarbeitern, die für die Erledigung der anfallenden betrieblichen Aufgaben erforderlich ist, zu. Die damit einhergehende Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers sei nach Ansicht des Gerichts hinzunehmen (LAG Hamburg, Beschluss vom 16.07.2020 – 8 TaBV 8/19).

Im vom LAG Hamburg zu entscheidenden Fall stritten Arbeitgeberin, die zu
einem Klinikverbund gehört und an mehreren Standorten Kliniken betreibt, und Betriebsrat über die Wirksamkeit eines Teilspruchs einer Einigungsstelle. Dieser Teilspruch sah für verschiedene Klinikabteilungen jeweils eine bestimmte – für die Arbeitgeberin verpflichtend
einzuhaltende – Relation zwischen Bettenzahl und ärztlichem Personal sowie eine definierte Untergrenze von Vollzeitkräften vor. Grundlage dieser Festsetzungen war ein Gefährdungsgutachten.

Das LAG Hamburg sah die Festlegungen der personellen Mindeststärken im
Teilspruch der Einigungsstelle nicht als ermessensfehlerhaft an. Seine Auffassung begründete das Gericht u.a. damit,
dass die Bewertung, welche Maßnahme zur Behebung der festgestellten Gefährdung – auch unter Einbeziehung ökonomischer Kriterien – am besten
geeignet ist, Gegenstand des dem Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zustehenden Ermessens ist, bei dessen Ausübung der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen habe. Durch die Festlegung einer bestimmten Relation von Betten und Vollzeitkräften sei die Freiheit der Arbeitgeberin unberührt,
Art und Umfang der von ihr angebotenen Leistungen im Rahmen der
für Krankenhäuser geltenden öffentlichrechtlichen Vorschriften selbst zu bestimmen.

PRAXISHINWEIS:
Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage, ob eine Maßnahme des Arbeitsschutzes gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 1 ArbSchG ggf. in der Festlegung einer personellen Mindestbesetzung
bestehen kann, bisher nicht entschieden. Es bleibt daher abzuwarten,
ob an einer Beteiligung des Betriebsrats bei der Personalplanung über das Einfallstor der arbeitsschutzrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 BetrVG festgehalten wird. Die Beteiligung des Betriebsrats bei der Personalplanung ist an sich nach § 92 BetrVG auf ein Informations-
und Erörterungsrecht begrenzt.

LAG Nürnberg: Arbeitgebervertreter muss mit dem Betriebsrat nicht Deutsch sprechen

Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass der Arbeitgebervertreter Deutsch spricht, sofern eine ausreichende Übersetzung im Betrieb gewährleistet ist, so das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg
in seinem Beschluss vom 18.06.2020 – 1 TaBV 33/19.

Die Parteien stritten über die Frage, ob die Filialleiterin eines internationalen Modekonzerns mit den Arbeitnehmern sowie dem Betriebsrat Deutsch sprechen muss. Eine Vorgabe zur Unternehmenssprache existierte im Unternehmen
nicht. Der Betriebsrat sah in der überwiegend auf Englisch geführten
Kommunikation der Filialleiterin einen Verstoß gegen das Gebot zur Verwendung der deutschen Sprache und damit eine Verletzung in seinen Mitbestimmungsrechten.

Das LAG Nürnberg erteilte dieser Auffassung eine Absage. Demnach kann der Betriebsrat nicht verlangen, dass der Arbeitgeber selbst oder der vom Arbeitgeber bestimmte Vertreter nur in einer Weise mit ihm kommuniziert, in der der zu den Besprechungen oder Verhandlungen entsandte Arbeitgebervertreter ausschließlich Deutsch spricht. Entscheidend ist, dass sämtliche Erklärungen des Arbeitgebervertreters in verständlicher Form gegenüber Betriebsratsmitgliedern abgegeben und die Erklärungen von Betriebsratsmitgliedern gegenüber dem Arbeitgebervertreter auch entgegengenommen werden können. Hierzu gehört, dass Erklärungen des Arbeitgebervertreters – gleich ob in Schrift, Text oder mündlicher Form – gegenüber Betriebsratsmitgliedern zumindest dann in deutscher Sprache abgegeben werden, wenn diese die Fremdsprache nicht (ausreichend) beherrschen.

PRAXISHINWEIS:
Die Entscheidung kommt insbesondere international tätigen Unternehmen entgegen. Arbeitgeber können demnach auch fremdsprachige Führungskräfte als Ansprechpartner gegenüber dem Betriebsrat einsetzen, solange gewährleistet ist, dass die Kommunikation zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber wechselseitig verstanden wird. Letzteres ist von zentraler Bedeutung, da das Risiko fehlerhafter Übersetzungen zu Lasten des Arbeitgebers geht. Dies gilt nicht nur für Erklärungen des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat, sondern vice versa.

LAG Düsseldorf: Betriebsrat darf nach verweigerter Zusammenarbeit mit Personalchef aufgelöst werden

Das LAG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 23.06.2020 zu der Frage Stellung bezogen, ob der Betriebsrat die Zusammenarbeit mit einem Arbeitgebervertreter in zulässiger Weise verweigern darf, Beschluss vom 23.06.2020, 14 TaBV 75/19.

Die Parteien stritten über den Antrag des Arbeitgebers, den 13-köpfigen Betriebsrat aufzulösen. Anlass des Konflikts war ein förmlicher Beschluss des Betriebsrats, die Zusammenarbeit mit dem vom Arbeitgeber als zuständigen Ansprechpartner benannten Personalleiter zu verweigern. So teilte der Betriebsrat u.a. der Werks- und Personalleitung mit, dass die Zusammenarbeit mit der Personalleitung beendet werde und forderte den Arbeitgeber auf, ihm einen neuen Ansprechpartner zu benennen. In weiterer Umsetzung des Beschlusses strich der Betriebsrat den Personalleiter sogar aus dem Verteiler und leitete Mitteilungen und Beschlüsse an andere Mitarbeiter weiter. Aufforderungen des Arbeitgebers an den Betriebsrat, die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter wieder aufzunehmen blieben ohne Erfolg. Die Verweigerungshaltung des Betriebsrats ging so weit, dass der Betriebsrat an Sitzungen zur Umsetzung der Personalplanung aus einem bestehenden Interessenausgleich nicht teilnahm, sofern auch der Personalleiter anwesend war.

Die Situation spitzte sich im Folgenden immer weiter zu, sodass sich der Arbeitgeber schließlich gezwungen sah, beim Arbeitsgericht Solingen einen Antrag auf Auflösung des Betriebsrats einzureichen. Sowohl das Arbeitsgericht Solingen als auch LAG Düsseldorf bestätigten das Vorgehen des Arbeitgebers und lösten den Betriebsrat auf.

Das LAG Düsseldorf bewertete die Weigerung des Betriebsrats, mit dem Personalleiter zusammenzuarbeiten, als einen erheblichen und offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverstoß, der geeignet sei, die hohen Anforderungen gemäß § 23 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu erfüllen. Hierfür spreche, dass der Betriebsrat die Weigerungshaltung förmlich beschlossen und tatsächlich über einen längeren Zeitraum in die Tat umgesetzt habe. Das LAG Düsseldorf stellte außerdem klar, dass die Bestimmung eines Ansprechpartners alleine dem Arbeitgeber kraft seiner Organisationshoheit obliege. Selbst wenn der Personalleiter möglicherweise nicht in allen Punkten betriebsverfassungskonform gehandelt habe, durfte der Betriebsrat nach Auffassung des LAG die Zusammenarbeit mit dem Personalleiter nicht einfach im Wege der Selbsthilfe einstellen. Er hätte sich stattdessen vielmehr der Mittel des Betriebsverfassungsrechts bedienen müssen.

Praxishinweis:
Der Beschluss des LAG Düsseldorf ist zwar zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig. Gleichwohl zeigt die Entscheidung aber sehr deutlich, dass dem Handeln des Betriebsrats Grenzen gesetzt sind. Auch wenn die Anforderungen an einen offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverstoß des Betriebsrats sehr hoch sind, sind diese regelmäßig jedenfalls dann erfüllt, wenn der Betriebsrat in die allein dem Arbeitgeber zustehende Organisationshoheit eingreift und sich eigenmächtig über die Handlungsmöglichkeiten nach dem Betriebsverfassungsrecht

BVerfG: Streikbrecherverbot für Leiharbeitnehmer ist verfassungsgemäß

Mit Beschluss vom 19.06.2020 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun bestätigt, worüber lange Uneinigkeit bestand: Das sog. Streikbrecherverbot gemäß § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist verfassungsgemäß, Beschluss v. 19.06.2020 – 1 BvR 842/17. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall sah sich die Beschwerdeführerin, eine bundesweit tätige Kinobetreiberin, durch das im Zuge der AÜG-Reform im Jahr 2017 eingeführte Streikbrecherverbot in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit verletzt. Die Regelung sei verfassungswidrig, da hierdurch die Arbeitskampfparität zulasten des Arbeitgebers verschoben werde.

Hintergrund des Verbots ist, dass Entleiher Leiharbeitnehmer zunehmend auf streikbetroffenen Arbeitsplätzen einsetzten, um hierdurch den ordnungsgemäßen Betriebsablauf – zumindest teilweise – aufrechtzuerhalten und den Arbeitskampf damit faktisch ins Leere laufen zu lassen. Diesem Vorgehen schiebt § 11 Abs. 5 AÜG einen Riegel vor: Entleiher dürften Leiharbeitnehmer demnach grundsätzlich nicht tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist.

Die Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg: Die Karlsruher Richter erachteten unter umfassender Abwägung aller Belange das Streikbrecherverbot als verfassungsmäßig. Zwar würden Arbeitgeber hierdurch in ihrer Entscheidung beschränkt, Leiharbeitskräfte einzusetzen, um sich gegen einen Streik zu wehren. Gleichwohl verbiete die Regelung nicht den generellen Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb, sondern beschränke diesen lediglich auf einen (un-)mittelbaren Einsatz als Streikbrecher. Das gesetzgeberische Ziel, auch Leiharbeitnehmern ein angemessenes Arbeitsverhältnis zu gewähren sowie eine funktionierende Tarifautonomie zu erhalten, überwiege daher die Interessen des Arbeitgebers.

Praxishinweis:
Mit dem Beschluss des BVerfG steht nunmehr fest, dass die in die unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers eingreifenden Beschränkungen des § 11 Abs. 5 AÜG wirksam sind. Arbeitgeber sollten daher davon absehen, Leiharbeitnehmer auf bestreikten Arbeitsplätzen einzusetzen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 500.000,00 geahndet werden. Eine konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung bleibt dagegen weiterhin zulässig, soweit sie nur gelegentlich stattfindet und ein Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt wurde. Der konzerninterne Personalaustausch bleibt daher ein zulässiges Mittel zur Überbrückung von Kapazitätsengpässen während eines Streiks.

Neue SARS-COV-2 Arbeitsschutzregel tritt in Kraft

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat Anfang August die neue SARS-COV-2 Arbeitsschutzregel zur Bekanntmachung im Ministerialblatt freigegeben.

Die neue Arbeitsschutzregel enthält im Wesentlichen Konkretisierungen der im April 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entwickelten allgemeinen Arbeitsschutzstandards. Über die Einführung der allgemeinen Arbeitsschutzstandards hatten wir bereits hier berichtet. Ziel der Arbeitsschutzregel ist, das Infektionsrisiko für Beschäftigte zu senken. Zentrale Maßnahmen bleiben auch weiterhin Abstand, Hygiene sowie das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen. Neben Begriffsbestimmungen und Konkretisierung der schon in den allgemeinen Arbeitsschutzstandards enthaltenen Schutzmaßnahmen, gibt die Arbeitsschutzregel u.a. auch konkrete Handlungsanweisungen zum Umgang mit besonders schutzbedürftigen Beschäftigten sowie solchen Beschäftigten, die nach einer überstandenen COVID-19-Erkrankung an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

Praxishinweis:
Bestehende Schutz- und Hygienekonzepte sollten daher noch einmal kritisch mit den Vorgaben der Arbeitsschutzregel abgeglichen und ggf. angepasst werden. Im Fall eines Verstoßes steht neben einer schuldrechtlichen Haftung gegenüber den verletzten Arbeitnehmern im Einzelfall sogar eine straf- bzw. ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit der für den Arbeitgeber verantwortlich handelnden Personen und des Unternehmens des Arbeitgebers (§ 130 OWiG) im Raum.

Die Arbeitsschutzregel dient zusammen mit den allgemeinen Arbeitsschutzstandards als Beurteilungsgrundlage der Gesundheitsämter für die Frage, ob und inwiefern Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Die Arbeitsschutzregel können Sie hier abrufen.

Bund-Länder-Beschluss zur Bekämpfung der SARS-COV-2 Pandemie

Am 27.08.2020 haben sich Bund und Länder auf einen Katalog gemeinsamer Maßnahmen zur weiteren Bekämpfung der SARS-COV-2-Pandemie verständigt. Erwähnenswert sind insbesondere folgende Punkte:

  • Verpflichtung von Reiserückkehrern aus Risikogebieten, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort zu isolieren (Quarantäne).
  • Soweit möglich, ist auf Reisen in Risikogebiete zu verzichten. Bund und Länder streben kurzfristig eine Rechtsänderung mit dem Ziel an, dass bundeseinheitlich eine Entschädigung für den Einkommensausfall dann nicht gewährt wird, wenn eine Quarantäne aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet erforderlich wird.
  • Einführung einer neuen Regelung zur Selbstisolation (Quarantäne) ab 01.10.2020 für Reiserückkehrer aus Risikogebieten, wonach eine vorzeitige Beendigung der Selbstisolation frühestens durch einen Test ab dem 5. Tag nach Rückkehr möglich ist.

Praxishinweis:
Insbesondere die geplante Rechtsänderung, wonach eine Entschädigung gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) im Falle einer vermeidbaren Reise in ein bei Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet entfällt, spricht dafür, dass Arbeitnehmern dann auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz (EfZG) zusteht.

Rechtsgebietsübergreifend halten wir Sie über alle aktuellen und praxisrelevanten Entwicklungen und Änderungen auch auf unserer Homepage unter www.zl-legal.de/corona und www.zl-legal.de/zl-aktuell stets informiert.

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