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Keine nachträgliche, isolierte Teilaufhebung bei Loslimitierung!

Das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 21.11.2025 (54 Verg 4/25) klargestellt, dass eine isolierte Teilaufhebung bei Loslimitierung im Vergabeverfahren unzulässig ist.

Hintergrund: Vergabe von SPNV-Leistungen und Loslimitierung

Der Entscheidung des OLG Schleswig vom 21.11.2025 (Az. 54 Verg 4/25) liegt die Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen (SPNV) für die Netze „Mitte“ und „Süd-West“ in Schleswig-Holstein zugrunde. Die Leistungen wurden in zwei Fachlose aufgeteilt und zugleich wurde eine strenge Loslimitierung angeordnet: Jeder Bieter durfte zwar auf beide Lose anbieten, den Zuschlag aber grundsätzlich nur für ein Los erhalten, wobei der Zuschlag auf diejenige Loskombination zu erteilen war, die insgesamt die niedrigste Wertungssumme (allein nach dem Preis) aufwies.​

Die Auftraggeber ließen vorab einen Erwartungswert durch ein Gutachten ermitteln und kamen für das Los Mitte später zu dem Ergebnis, dass das wirtschaftlichste Angebot diesen Erwartungswert jährlich um 12,4 Mio. Euro bzw. insgesamt um rund 148,8 Mio. Euro (etwa 42%) übersteigt. Unter Berufung auf § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 4 VgV hoben sie daraufhin die Ausschreibung nur für das Los Mitte auf, setzten das Verfahren für das Los Süd-West aber fort und kündigten den Zuschlag für dieses Los an, während das Los Mitte isoliert neu ausgeschrieben wurde.​

Die hiergegen vorgehende Antragstellerin hatte für beide Lose Angebote abgegeben und war für das Los Mitte nach der ursprünglichen Wertungskonzeption erstplatziert. Sie wandte sich gegen die isolierte Aufhebung des Loses Mitte, die Fortführung des Verfahrens für das Los Süd-West und rügte u.a. die Unwirtschaftlichkeitsbewertung, die taugliche Auftragswertschätzung, die Rechtmäßigkeit der Teilaufhebung trotz Loslimitierung sowie die Behandlung des Angebots der Beigeladenen (insbesondere § 57 Abs. 1 Nr. 5, § 60 VgV). Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag zurück; auf die sofortige Beschwerde stellte das OLG Schleswig die Rechtswidrigkeit der Teilaufhebung des Loses Mitte und eine Rechtsverletzung der Antragstellerin fest, während es einen weitergehenden Feststellungsantrag zur Vergabe des Loses Süd-West zurückwies.​

Bindung an Loslimitierung und Unzulässigkeit der isolierten Teilaufhebung

Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung ist die Frage, ob die Auftraggeber das Vergabeverfahren für ein Los (Mitte) isoliert aufheben durften, obwohl die Vergabeunterlagen eine zwingende kombinierte Wertung der beiden Lose unter Loslimitierung vorsahen. Das OLG Schleswig stellt klar, dass die in den Teilnahmebedingungen geregelte Gesamtwirtschaftlichkeitsbetrachtung eine vergaberechtlich verbindliche Vorgabe darstellt, auf deren Bestandskraft die Bieter vertrauen dürfen.​

Nach der Auslegung des Senats bewirkt diese Konzeption, dass die Lose wirtschaftlich und wertungsseitig zu einem einheitlichen Vergabegegenstand verknüpft sind. Die Aufhebung „nur“ eines Loses verstößt in dieser Situation gegen die selbst gesetzten Spielregeln und ist vergaberechtswidrig. Wegen der Selbstbindung an die veröffentlichten Zuschlagsregeln ist ein nachträgliches Umschwenken auf eine reine Einzellosbetrachtung daher unzulässig.​ Die in § 63 Abs. 1 Satz 1 VgV angelegte Möglichkeit einer teilweisen Aufhebung tritt zurück, wenn der Auftraggeber durch die Gestaltung seiner Vergabeunterlagen selbst eine untrennbare Verknüpfung der Lose geschaffen hat. Daraus folgt: Ist die Kombination der Lose maßgeblich, kann Unwirtschaftlichkeit nur auf Grundlage des Gesamtpakets festgestellt werden.​

Bieterschutz und Selbstbindung des Auftraggebers

Das Gericht arbeitet die Schutzrichtung von Zuschlagskonzept und Loslimitierung klar heraus: Bieter dürfen nach § 97 Abs. 6 GWB darauf vertrauen, dass der Zuschlag strikt nach den angekündigten Kriterien erteilt wird – einschließlich der Kombinationsermittlung und Loslimitierung – und das Verfahren nicht nachträglich durch eine isolierte Aufhebung „umgebaut“ wird.​

Dogmatisch bedeutsam ist, dass das OLG Schleswig die Teilaufhebung zwar als wirksam, aber vergaberechtswidrig qualifiziert und der Antragstellerin einen Anspruch auf Feststellung der Rechtsverletzung zuspricht. Eine Rückgängigmachung der Aufhebung bleibt vergaberechtlich verwehrt, weil die Entscheidung über die Aufhebung im Kern zur Organisationsfreiheit des Auftraggebers gehört; gleichwohl eröffnet die Feststellung die Tür für Sekundärrechtsschutz (Schadensersatz) nach §§ 181, 182 GWB, soweit eine realistische Zuschlagschance bestand.​

Fazit: Zurückhaltung vor „kreativen“ Nachsteuerungen

Für die Praxis der Vergabestellen ist das Urteil ein deutlicher Fingerzeig: Wer Lose inhaltlich und wertungsseitig so miteinander verknüpft, dass der Zuschlag zwingend auf eine bestimmte Loskombination zu erfolgen hat, verbaut sich damit faktisch die Möglichkeit, nur einzelne Lose wegen Unwirtschaftlichkeit aufzuheben. In solchen Konstellationen ist bei Unwirtschaftlichkeit entweder eine Gesamtaufhebung in den Blick zu nehmen oder – noch früher – das Zuschlagskonzept so zu gestalten, dass Loslimitierung und Gesamtwertung mit der Option einer Teilaufhebung kompatibel bleiben.​

Für Bieter eröffnet die Entscheidung eine solide Argumentationsbasis, wenn Auftraggeber im Nachhinein von veröffentlichter Loslimitierung, Wertungsmatrix oder Kombinationsermittlung abweichen wollen. Es lohnt sich also, Vergabeunterlagen künftig noch stärker daraufhin zu prüfen, ob Loslimitierungen, Kombinationswertungen und Aufhebungsoptionen konsistent sind – und Auftraggeber frühzeitig darauf hinzuweisen, dass „kreative“ Nachsteuerungen im laufenden Verfahren vergaberechtlich risikoreich sind und bis zur Schadensersatzpflicht führen können.

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