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Online-Coaching ohne Zulassung: Vertrag nichtig und Anbieter auf Rückzahlung von 23.800€ verurteilt

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Wer Online-Coaching ohne Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) anbietet, muss erhaltene Honorare zurückzahlen. Das Urteil betrifft auch B2B-Coachings und definiert, wann Online-Unterricht als Fernunterricht gilt. Was bedeutet das für Anbieter und Unternehmen? Lesen Sie, welche Folgen das Urteil hat und wie Sie rechtliche Risiken vermeiden.

Online-Coaching

Das Angebot an Online-Coaching ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Online-Coaching bietet eine örtliche und zeitliche Flexibilität, die ein Präsenz-Coaching nicht bieten kann. Online-Coaching ist in vielen Bereichen beliebt: von der beruflichen Weiterbildung, Karriere‑ und Führungskräfteentwicklung über Fitness‑ und Ernährungsprogramme, mentale Gesundheit und Achtsamkeit bis hin zu Sprachkursen, kreativen Künsten, Finanz‑ und Gründerberatung sowie Beziehungs‑ und Life‑Coaching. Gemeinsam haben diese Angebote, dass sie die Teilnehmer digital begleiten, zielgerichtet weiterentwickeln und interaktives Feedback geben. 

Online-Coaches benötigen eine Zulassung gem. § 12 Abs. 1 FernUSG, wenn sie Fernunterricht anbieten. Ansonsten ist der Vertrag nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG. Bei einer nachträglichen Erlöschung, Widerruf oder Zurücknahme der Zulassung hat der Teilnehmer außerdem ein fristloses Kündigungsrecht. Es hat sich lange die Frage gestellt, ob dies auch im B2B Bereich gilt und was genau unter Fernunterricht zu verstehen ist.

Fernunterricht wird in § 1 FernUSG definiert als:

auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der

  1. der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und
  2. der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen.

Sachverhalt

Kläger war ein Teilnehmer des „9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“ der Beklagten, welcher insgesamt 47.600€ kostete. Für dieses Programm lag keine Zulassung gem. § 12 Abs. 1 FernUSG vor. Laut Kursprogramm habe der Kurs aus zwei wöchentlichen Online-Meetings, Hausaufgaben, halbjährlichen „intensiven Workshops“ sowie persönlicher und direkter Begleitung bestanden. Bei Bedarf hätten die Teilnehmer außerdem Anspruch auf zwei Einzelsitzungen mit einem Personal Coach gehabt; zudem hätten weitere Teammitglieder und Experten zur Verfügung gestanden.

Der Kläger zahlte die Hälfte der Gebühr (somit 23.800€) an die Beklagte. Der Kläger kündigte nach einigen Wochen den Kurs und verlangte anschließend die Rückzahlung bereits überwiesener Zahlungen. Die Beklagte verlangte daraufhin Zahlung der restlichen Honorare.

Der Kläger hat sodann Klage auf Rückzahlung erhoben; die Beklagte hat hilfsweise Widerklage auf Zahlung der restlichen Honorare erhoben.

Entscheidung des BGH

Der BGH hat mit Urteil vom 12.06.2025 (III ZR 109/24) den Online-Coaching-Anbieter zur Rückzahlung von Honoraren in Höhe von 47.600 EUR verurteilt. Es handelte sich um einen Fernunterrichtsvertrag, welcher aufgrund der fehlenden Zulassung nichtig war. Der BGH hat dabei den Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) konkretisiert und erweitert. Dabei hat er Folgendes entschieden:

  • Das FernUSG gilt auch im B2B-Bereich. Es ist unerheblich, zu welchen Zwecken der Lernende am Kurs teilnimmt.
  • „Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten“ ist weit auszulegen. Es reicht, dass vereinbart wurde, dass der Lernende Wissen, Know-How oder jegliche Art von Bildung erhält. Die Wissensvermittlung steht beim Coaching meist im Vordergrund gegenüber einer „Beratung“. Es gibt keine Mindestanforderungen an die Qualität des Unterrichts. Coaching stellt meistens nicht nur reine Beratung dar, sondern dient zumindest auch der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten. Es gibt keine Mindestanforderungen an die Qualität des Unterrichts. Das tatsächlich Erlernte ist unerheblich. Es geht nur darum, was vereinbart wird.
  • Die Anforderungen an die „Kontrolle von Lernerfolgen“ sind niedrig. Es muss keine ständige Kontrolle vorliegen. Hier ändert der BGH seine bisherige Rechtsprechung nicht. Es genügt auch eine einzige Lernkontrolle. Diese muss nicht einmal tatsächlich erfolgen, sondern muss lediglich geschuldet sein. Für die Annahme einer Lernkontrolle reicht der Anspruch des Lernenden, vom Lehrenden mündliche Fragen zum erlernten Stoff zu erhalten.
  • Oft diskutiert wird die Frage, ob eine ausschließliche oder überwiegende räumliche Trennung (§ 1 Abs. 1 FernUSG) vorliegt, wenn der Online-Kurs in Echtzeit stattfindet. Der BGH hat diese Frage offengelassen. Dies ist jedoch vorliegend – und wohl in den meisten Fällen – unerheblich, weil die Lernvideos und Hausaufgaben bereits asynchron stattfinden und diese einen erheblichen Teil des Coaching-Angebots darstellen.
  • Der Online-Coaching-Anbieter kann zwar ersparte Aufwendungen des Klägers grundsätzlich herausverlangen. Er konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht beweisen, dass sich der Kläger durch das Teilnehmen am Kurs etwas erspart hat.

Weitere Auswirkungen des Urteils auf Online-Coaching-Anbieter

Auch Coaches, die keine Rückzahlungspflichten zu befürchten haben, sind vom FernUSG betroffen. Wer unter das FernUSG fällt, muss folgende Pflichten beachten:

  • Informationspflichten (§ 16 FernUSG): Coaches müssen bei geschäftlicher Werbung für Fernlehrgänge den potenziellen Teilnehmern umfassende Informationen bereitstellen. Dazu gehören:
  1. Ein vollständiger Überblick über die Vertragsbedingungen,
  2. Die Anforderungen an die Teilnehmer,
  3. Ein Überblick über die wesentlichen Inhalte des Fernlehrgangs.
  • Diese Transparenz soll den Teilnehmern eine fundierte Entscheidung ermöglichen.
  • Verbot von Vorauszahlungen (§ 2 Abs. 2 FernUSG):
  1. Coaches dürfen keine Vorauszahlungen verlangen. Die Vergütung ist in Teilleistungen zu entrichten, die dem Wert der erbrachten Leistung während der Vertragslaufzeit entsprechen.
  • Widerrufs- und Kündigungsrechte (§§ 4 und 5 FernUSG):
  1. Teilnehmer haben ein Widerrufsrecht, das auch für nicht außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene oder Fernabsatzverträge gilt (§ 4 FernUSG i.V.m. § 3 Abs. 2 FernUSG).
  2. Teilnehmer können den Vertrag nach § 5 Abs. 1 FernUSG ohne Angabe von Gründen erstmals zum Ablauf des ersten Halbjahres kündigen und danach jederzeit. In diesem Fall ist nur der Anteil der Vergütung zu zahlen, der dem Wert der erbrachten Leistung entspricht (§ 5 Abs. 2 FernUSG).

Die Vertragsbedingungen der Online-Coaching-Anbieter sind außerdem unwirksam, soweit sie diesen Pflichten und Rechten widersprechen.

Kapitalgesellschaften sollten im Falle von Rückerstattungsklagen prüfen, ob sie Rückstellungen bilden müssen. Zudem ist zu überprüfen, ob eine Insolvenzantragspflicht besteht.

Grundsätzlich haftet bei einer Insolvenz nur die GmbH. Geschäftsführer können jedoch persönlich haften, wenn sie es versäumen, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen. Bei drohenden Rückzahlungsforderungen ist schnelles Handeln entscheidend, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Anbieter sollten ihre Risiken genau analysieren.

Wer ist von diesem Urteil betroffen?

Dieses Urteil betrifft jeden, der Online-Coaching anbietet. Ob der einzelne Kurs dann ein Fernlehrgang im Sinne des FernUSG ist, muss weiterhin im Einzelfall geprüft werden. Dies wird jedoch im Hinblick auf dieses Urteil regelmäßig der Fall sein, wenn der Kurs oder die Beratung größtenteils online stattfindet und zumindest nicht zu 100% aus reiner Beratung besteht.

Unsere Handlungsempfehlungen

Rechtliche Prüfung der Angebote:

  • Lassen Sie prüfen, ob Ihre Kurse unter das FernUSG fallen.
  • Beantragen Sie gegebenenfalls die erforderlichen Zulassungen.

Anpassung der Vertragsbedingungen:

  • Stellen Sie sicher, dass Ihre Verträge den Informationspflichten und Zahlungsmodalitäten des FernUSG entsprechen.

Risikomanagement:

  • Kalkulieren Sie mögliche Rückzahlungsforderungen ein und bilden Sie Rückstellungen.
  • Handeln Sie bei drohender Insolvenz unverzüglich, um persönliche Haftungsrisiken zu vermeiden.

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