Diese Website für Zirngibl, eine Wirtschaftskanzlei, wurde vom Digitalbüro Mokorana gestaltet und technisch umgesetzt – mit Fokus auf durchdachtes Design, moderne Webtechnologien und barrierefreien Zugang.

← Zurück zur Übersicht Blaue Ordnerreihe mit einem pinken Ordner, der von einer Hand gehalten wird, vor blauem Hintergrund

Vergabebeschleunigungsgesetz: Änderungen im Vergaberecht und deren Auswirkungen

Das Bundeskabinett hat den Entwurf für das Vergabebeschleunigungsgesetz beschlossen. Der Beitrag beleuchtet die wichtigsten Änderungen im Vergaberecht, deren Chancen und Risiken sowie die Auswirkungen auf Unternehmen und öffentliche Auftraggeber.

Das Bundeskabinett hat am 06.08.2025 den Entwurf für das Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge („Vergabebeschleunigungsgesetz“) beschlossen, das Änderungen an allen vergaberechtlichen Gesetzen und Verordnungen im nationalen Recht über den europäischen Schwellenwerten vorsieht.

Überblick: Ziele und zentrale Maßnahmen des Gesetzes

Ziel und Anreiz für den Gesetzesentwurf war nach Angaben der Bundesregierung, dass die öffentliche Beschaffung einfacher, schneller und flexibler werden müsse. Erreicht werden soll dies vor allem durch einen Bürokratieabbau und eine Digitalisierungszunahme. Dadurch sieht der Entwurf eine Entlastungswirkung von knapp 100 Millionen Euro für die Wirtschaft und knapp 280 Millionen Euro für die Verwaltung vor.

Doch das Gesetz bringt aus vergaberechtlicher Sicht nicht nur Licht, sondern auch Schatten mit sich. Insbesondere folgende Maßnahmen sind vorgesehen:

Erhöhung von Wertgrenzen

Die Pflicht zur europaweiten Ausschreibung für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen soll dadurch reduziert werden, dass der niedrigere EU-Schwellenwert für „zentrale Regierungsbehörden“ von derzeit 143.000 EUR künftig nur noch für das Bundeskanzleramt und die Bundesministerien gelten (§ 106 GWB). Alle anderen obersten und oberen Bundesbehörden sowie vergleichbare Bundeseinrichtungen werden gleichgestellt mit den anderen öffentlichen Auftraggebern, sodass deren Auftragsvergaben fortan in den Geltungsbereich des regulären Schwellenwerts von derzeit 221.000 EUR fallen.

Auch die Wertgrenze für Direktaufträge des Bundes und der Sozialversicherungsträger wird von 15.000 EUR auf 50.000 EUR angehoben. Damit können kleinere Aufträge ohne klassische Vergabeverfahren vergeben werden, was die Beschaffung für Verwaltung und Unternehmen erleichtert. Doch werden Direktvergaben im großen Stil eingesetzt, können sie eine Gefahr für die Grundprinzipien des Vergaberechts darstellen. Konkret bedeutet das eine drohende Wettbewerbsverzerrung, Transparenzdefizite und ein Korruptionsdefizit, da die Beschaffung ohne förmliches Vergabeverfahren abläuft.

Vereinfachung der Vergabeverfahren

Vergabeverfahren sollen gestrafft werden. Dies soll dadurch gelingen, dass die Leistungsbeschreibung zukünftig nicht mehr „eindeutig und erschöpfend“, sondern nur noch „eindeutig“ sein muss (§ 121 GWB). Ob dadurch wirklich „der Aufwand der Unternehmen für das Durcharbeiten der Leistungsbeschreibung verringert“ wird, bleibt zweifelhaft, da die Anforderungen an die Leistungsbeschreibung in der Praxis unverändert bleiben.

Weiter sollen die Nutzung von Eigenerklärungen gestärkt werden und die Nachweispflicht auf aussichtsreiche Bieter beschränkt werden (§ 122 GWB), was sicherlich einen positiven Effekt auf die schnelle und entbürokratisierte Vergabe haben dürfte.

Selbiges gilt für die Reduzierung der Dokumentationspflicht und der Einführung des sogenannten vereinfachten Wertungsvorgangs (§ 42 VgV). Dieser kehrt die Reihenfolge von Angebots- und Eignungsprüfung im offenen Verfahren um, wonach zuerst die Angebotsprüfung und erst anschließend die Eignungsprüfung erfolgt. Das bringt den Vorteil mit sich, dass nur noch die Eignung der relevanten Bieter geprüft wird. Allerdings entfällt die Filterfunktion der Eignungsprüfung, sodass das Risiko besteht, dass Ressourcen in Angebote investiert werden, die sich später als ungeeignet herausstellen. Denn nur in Verfahren mit einer reinen Preisprüfung dürfte die fachliche Angebotsprüfung weniger Zeit in Anspruch nehmen als die Eignungsprüfung.

(Weitere) Digitalisierung der Vergabe- und Nachprüfungsverfahren

Zu begrüßen ist die vermehrte Einführung und Förderung von digitalen Prozessen, etwa durch die Standardisierung einer elektronischen Verfahrensführung und Akteneinsicht (§§ 158, 165 GWB). Vor den Vergabekammern werden neben der Möglichkeit einer Entscheidung nach Aktenlage auch Videoverhandlungen eingeführt (§ 166 GWB). Dies kann im Lichte von Zeit- und Ressourcenersparnis als durchweg positiv betrachtet werden.

Flexibilisierung des Losgrundsatzes

Insbesondere bei dringlichen, aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ finanzierten Projekten sowie im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich kann künftig ausnahmsweise auf die Losvergabe verzichtet werden. Damit soll es gelingen, die dringend benötigten Investitionen mit den Mitteln des zeitlich befristeten Sondervermögens schnell zu tätigen. Allerdings könnte dies den förderungswürdigen Mittelstand schnell wieder von der Teilnahme an großen Infrastrukturvorhaben ausschließen.

Verschlankung der Verfahren vor den Vergabekammern

Die aufschiebende Wirkung bei sofortigen Beschwerden gegen die Entscheidung der Vergabekammern in Nachprüfungsverfahren entfällt, was mangels fortdauernden Zuschlagsverbots zu einem schnelleren Zuschlag führen kann. Warum dies problematisch ist und den Rechtsschutz erheblich einschränkt, können Sie in unserem Blogbeitrag Vergaberechtsreform 2025: Gefahr für den Primärrechtsschutz? | ZIRNGIBL nachlesen.

Neue Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeit

Auf verpflichtende Vorgaben zur nachhaltigen Beschaffung wurde verzichtet. Stattdessen wurde eine Verordnungsermächtigung für den Bund zur Schaffung verpflichtender Anforderungen für die Beschaffung klimafreundlicher Leistungen geschaffen. Deren konkrete Anforderungen bleiben daher abzuwarten.

Spezifische Maßnahmen für junge und innovative Unternehmen und den Mittelstand

Kleine und mittelständische Unternehmen, Start-ups und Innovation werden dadurch gefördert und stärker berücksichtigt, dass geringere Nachweishürden an vergangene Umsätze und an das Alter von Unternehmen, bessere Zahlungsbedingungen sowie die Möglichkeiten bestehen, Auftragnehmer zur Einbeziehung von KMU bei Unteraufträgen zu verpflichten.

Licht der Maßnahmen

Positiv herausgestellt werden müssen der deutliche Bürokratieabbau und dessen Folgen. Insbesondere durch weniger Nachweispflichten und höhere Direktauftragsgrenzen können Zeit und Kosten bei kleinen und mittleren Projekten eingespart werden. Die gezielte Beschleunigung von Verfahren ist vor allem bei Aufgaben mit hohem Zeitdruck (z.B. Bau von Infrastruktur, Krisenbewältigung) essenziell.

Durch die stärkere Nutzung elektronischer Verfahren werden die Verfolgung und Kontrolle von Vergaben erleichtert und das öffentliche Beschaffungswesen an die Anforderungen moderner Arbeitswelten angepasst. Klare Vorgaben zur Nachweisführung und zur relevanten Veröffentlichung von Ausschreibungen sowie die Angleichung an europäisches Recht sorgen für eine rechtssichere Handhabung.

Durch die Förderung und gezielte Maßnahmen zur Einbindung des Mittelstands werden der Wettbewerb und die Innovationskraft in der öffentlichen Auftragsvergabe gestärkt.

Schatten der Maßnahmen

Die Lockerung von Vergaberegeln, etwa beim Losgrundsatz oder durch häufigere Direktvergaben, birgt ein erhöhtes Risiko für Intransparenz, Vetternwirtschaft und eventuelle Fehlsteuerung öffentlicher Mittel. Die Flexibilisierung des Losgrundsatzes – etwa durch Gesamtvergaben bei Großprojekten – kann Mittelständler ausschließen, wodurch deren Beteiligung und der Wettbewerb zurückgehen könnten. Höhere Direktauftragsgrenzen und weniger Wettbewerb bei Gesamtvergaben könnten auch zu höheren Preisen führen, da weniger Angebote eingehen und der Preiswettbewerb entfällt.

Der Wegfall der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen Vergabekammerentscheidungen schränkt den Primärrechtsschutz ein, was vor allem für unterlegene Bieter nachteilig ist.

Die grundsätzlich zu begrüßende Verwaltungsdigitalisierung erfordert neue IT-Infrastruktur, Prozesse und Schulungen. Gerade kleinere Vergabestellen könnten hier zunächst überfordert sein.

Fazit

Das Vergabebeschleunigungsgesetz modernisiert das deutsche Vergaberecht umfassend und bietet zahlreiche Vorteile in Bezug auf Schnelligkeit, Effizienz und Innovationsförderung. Dem stehen aber auch neue Risiken gegenüber, insbesondere ein mögliches Zurückdrängen des Wettbewerbs sowie Herausforderungen bei der Kontrolle und Umsetzung der neuen digitalen und vereinfachten Verfahren. Für Unternehmen und Berater ergibt sich hier anspruchsvoller, schnell veränderlicher Handlungsbedarf – sowohl bei der Begleitung öffentlicher Auftraggeber als auch bei der Vertretung beteiligungswilliger Bieter.

Die geplante Evaluierung nach drei bzw. fünf Jahren wird entscheidend sein, um eventuelle Fehlsteuerungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.

Mehr Erfahren

ZL Events

Immer dabei

Veranstaltungen, Vorträge und Termine rund um unsere Kanzlei und Rechtsgebiete.

Ein Ausschnitt der Anwälte von zirngibl.de

Unser Team

Kompetenz und Erfahrung

Lernen Sie unsere 70 hochqualifizierten und erfahrenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte kennen.

Firmensitz Zirngibl

Beratungsgebiete

Umfangreiche Expertise

Maßgeschneiderte und praxisübergreifende Lösungen für Ihre rechtlichen Herausforderungen.

Wir sind persönlich für Sie da

Sie haben Fragen oder Anregungen zum Artikel?