Inhalte
- Der Bau-Turbo: Abweichungen für den Wohnungsbau
- Ausweitung der Befreiungen für Wohnbauvorhaben
- Einfügen in die nähere Umgebung
- Zustimmung der Gemeinde
- Verlängerung der Regelungen zu Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt
- Emissionskontingente und Lärmschutz in Bebauungsplänen
- Fazit: Chancen durch den Bau-Turbo für Wohnbauvorhaben
Der Bundestag hat am 09.10.2025 das Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung beschlossen. Mit den als „Bau-Turbo“ bezeichneten Änderungen im Baugesetzbuch werden umfangreiche Abweichungsmöglichkeiten von bauplanungsrechtlichen Vorgaben für Wohnbauvorhaben geschaffen. Daneben werden in Bebauungsplänen neue Festsetzungen für Werte zum Schutz vor Geräuschimmissionen und Emissionskontingente ermöglicht, durch die Lärmkonflikte in Bebauungsplänen einfacher gelöst werden können.
Der Bau-Turbo: Abweichungen für den Wohnungsbau
Die Abweichungsmöglichkeit in § 246e BauGB n.F. stellt den eigentlichen „Bau-Turbo“ dar. Sie ermöglicht zeitlich befristet bis zum 31.12.2030 die Abweichung von sämtlichen Regelungen des Baugesetzbuches oder anderen auf dieser Grundlage erlassenen Regelungen für folgende Vorhaben:
- die Errichtung Wohnzwecken dienender Gebäude,
- die Erweiterung, Änderung oder Erneuerung zulässigerweise errichteter Gebäude, wenn hierdurch neue Wohnungen geschaffen oder vorhandener Wohnraum wieder nutzbar wird,
- die Nutzungsänderung zulässigerweise errichteter baulicher Anlagen zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung.
Vorausgesetzt wird dabei, dass die Abweichung unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist und keine zusätzlichen erheblichen Umweltauswirkungen hat.
Für eine solche Abweichung ist die Zustimmung der Gemeinde erforderlich, über die innerhalb von drei Monaten zu entscheiden ist. Im Außenbereich ist die Regelung nur auf Vorhaben anzuwenden, die im räumlichen Zusammenhang mit Flächen stehen, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im planungsrechtlichen Innenbereich liegen.
Diese weitreichende Abweichungsmöglichkeit kann viele Wohnbauvorhaben erleichtern, die bisher die Aufstellung eines Bebauungsplans erfordert haben. Wenn die Gemeinde dem Vorhaben zustimmt, kann in bestimmten Fällen ein aufwändiges Bebauungsplanverfahren vermieden werden.
Mit einem auf diesem Wege zugelassenen Wohnbauvorhaben können auch den Bedürfnissen der Bewohner dienende Anlagen für kulturelle, gesundheitliche und soziale Zwecke sowie Läden, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner dienen, zugelassen werden.
Ausweitung der Befreiungen für Wohnbauvorhaben
Die bereits bisher in § 31 Abs. 3 BauGB vorgesehene Möglichkeit der Befreiung von Bebauungsplänen für Wohnbauvorhaben gilt in Zukunft auch außerhalb von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Zudem wird der Anwendungsbereich auf mehrere vergleichbare Fälle erweitert, nachdem die Regelung bisher nur auf Einzelfälle anwendbar war. Die Befreiung kann für Wohnbauvorhaben auch dann erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung berührt werden. Öffentliche Belange stehen der Befreiung aber entgegen, wenn das Vorhaben voraussichtlich erhebliche zusätzliche Umweltauswirkungen hat.
Da hierdurch größere Abweichungen von Bebauungsplänen der Gemeinde möglich sind, ist auch für diese Befreiung die Zustimmung der Gemeinde erforderlich.
Einfügen in die nähere Umgebung
Im planungsrechtlichen Innenbereich kann gemäß § 34 Abs. 3b BauGB n.F. in Zukunft auch beim Neubau von Wohngebäuden mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall oder in mehreren vergleichbaren Fällen vom Erfordernis des Einfügens in die nähere Umgebung abgewichen werden, wenn das Wohnbauvorhaben städtebaulich vertretbar ist und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. Für die Änderung von Bestandsgebäuden hatte dies schon zuvor gegolten.
Neu zu errichtende Wohnbauvorhaben können damit im Innenbereich über die in der näheren Umgebung bestehende Bebauung hinausgehen, wenn die Gemeinde dem Vorhaben zustimmt.
Zustimmung der Gemeinde
Die Zustimmung der Gemeinde, die für die vorstehenden Abweichungs- und Befreiungsmöglichkeiten erforderlich ist, wird in § 36a BauGB n.F. geregelt.
Die Gemeinde erteilt danach die Zustimmung, wenn das Vorhaben mit ihren Vorstellungen von der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar ist. Sie kann ihre Zustimmung unter der Bedingung erteilen, dass der Vorhabenträger sich verpflichtet, bestimmte städtebauliche Anforderungen einzuhalten.
Da die Vorstellungen der Gemeinde maßgebend sind, besteht kein Anspruch auf eine entsprechende Abweichung gegen den Willen der Gemeinde. Wenn die Zustimmung aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Eingang bei der Gemeinde verweigert wird, gilt sie als erteilt.
Verlängerung der Regelungen zu Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt
Die bereits geltenden und bisher bis zum 31.12.2026 befristeten Regelungen zu Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gemäß § 201a BauGB werden bis zum 31.12.2031 verlängert. Die nach § 250 BauGB bestehende Genehmigungspflicht für die Begründung oder Teilung von Wohnungs- und Teileigentum gilt nun bis zum 31.12.2030 fort.
Die Genehmigungspflicht für die Begründung oder Teilung von Wohnungs- und Teileigentum besteht weiterhin nur für Wohngebäude, die bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Festlegung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmarkt durch Rechtsverordnung bestanden haben. Neubau oder die spätere Schaffung neuer Wohnflächen sind hiervon nicht betroffen.
Emissionskontingente und Lärmschutz in Bebauungsplänen
Eine erhebliche Erleichterung für Quartiersentwicklungen oder sonstige gemischte Gebiete durch Bebauungsplan können die neuen Regelungen zur Festsetzung von bestimmten Werten zum Schutz vor Geräuschimmissionen und von Emissionskontingenten gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 23a BauGB n.F. bringen.
Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen besteht damit nun endlich eine rechtssichere Rechtsgrundlage für die Regelung von Emissionskontingenten, die bisher nur über eine städtebaulich nicht immer einfach zu rechtfertigende Gliederung von Baugebieten möglich war. In vielen Quartiersentwicklungen führte die Lösung des Lärmkonflikts bisher zu erheblichen Verzögerungen oder gar zum Scheitern eines Bebauungsplans. Dies kann durch die neue gesetzliche Grundlage in Zukunft erheblich vereinfacht werden. Dabei kann mit einer Festsetzung von bestimmten Werten zum Schutz vor Geräuschimmissionen auch von den Vorgaben der TA Lärm abgewichen werden.
Für den Fall, dass ein Bebauungsplan mit Abweichungen von der TA Lärm später für unwirksam erklärt wird, enthält § 216a BauGB n.F. Regelungen zur Lösung dieses Lärmkonflikts durch die Bauaufsichtsbehörden.
Fazit: Chancen durch den Bau-Turbo für Wohnbauvorhaben
Die gesetzlichen Änderungen enthalten zahlreiche Vereinfachungen, die eine Umsetzung von Wohnbauvorhaben in vielen Fällen erleichtern können. Dies setzt jedoch voraus, dass die Gemeinde dem Vorhaben zustimmt.
Die Entwicklung von gemischten Quartieren mit Wohnungsbau und Gewerbe kann durch die vereinfachte Festsetzung von Emissionskontingenten und Immissionswerten unter Abweichung von der TA Lärm erleichtert und rechtssicher gestaltet werden.
Wir unterstützen Sie gerne bei ihren Projekten unter Berücksichtigung der Möglichkeiten durch die neuen gesetzlichen Vorgaben.